Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Ernő, liebe Dorle und Ulf.

 

Ich kenne den Brauch des Hauses, daher meine Bitte an Sie, wenn ich nach einer Dreiviertelstunde noch nicht fertig sein sollte, unterbrechen Sie mich. Ich freue mich außerordentlich, dass ich Ernő Tòth hier bei dieser Ausstellung begrüßen und Ihnen seine Arbeiten vorstellen darf.

 

Uns beide verbindet eine über zwanzigjährige Freundschaft. Von daher weiß ich, dass ich natürlich einen anderen Zugang zu ihm als Person habe, als jemand, der lediglich seine Kunst kennt. Deshalb findet auch die Würdigung seiner Arbeiten aus einer sehr persönlichen Sicht statt.

Wer ist also dieser Ernő Tóth?

Er ist ein beinahe fünfundsechzigjähriger Kindskopf, ein Kobold, der sich und seine Umwelt narrt, der ständig Possen treibt, ein Derwisch, der nie zu fassen ist.

Ernő ist ein ungarnweit bekannter Künstler, dem es von Beginn an gelungen ist, seinen eigenen Weg zu finden und eine individuelle Handschrift zu entwickeln. Und seinen Sujets ist er zeitlebens treu geblieben.

 

Ernő ist ein Künstler, der in zwei Kunstgattungen zu Hause ist. Er ist Maler und Bildhauer zugleich. Ich kenne ihn nur als ein Arbeitstier, habe kaum erlebt, dass er nicht

zeichnet, malt oder modelliert. Legendär sind seine Urlaubsaufenthalte, bei denen er eine Ecke seines Hotelzimmers oder einen Raum seines Gastgebers im Nu okkupiert und sich seinen urplötzlich entstandenen Ideen widmet, diese auf ein Blatt kritzelt, oder aus einem Wachsklumpen eine Figur modelliert.

 

So, liebe Dorle und Ulf, Ihr seid also gewarnt!

 

Als Kind kannte er nur eines: malen und zeichnen. Seine Eltern waren stets um ihn besorgt, da er keinerlei Ambitionen zeigte, etwas Vernünftiges zu lernen. Nein, er wollte Künstler werden. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen im damaligen Ungarn, wo jährlich nur einige Auserwählte die Zulassung zu der Kunstakademie erhielten.

Ernő Tóth ließ sich nicht entmutigen. Nicht bei der ersten, nicht bei der zweiten, nicht bei der dritten Absage. Er arbeitete gleich nach dem Abitur als Bühnenbildner in der Budapester Oper, eine Beschäftigung, die ihn thematisch für sein gesamtes künstlerisches Schaffen prägte, und wartete dort auf seine Chance.

 

Die Jahre an der Budapester Hochschule für Bildende Kunst erlebte er wie in einem einzigen Rausch. Er hatte noch das Glück, als Schüler von international renommierten Professoren wie Jenő Barcsai, Ignác Kokas und Iván Szilárd unterrichtet zu werden, um später seinen künstlerischen Hafen in der Tradition von Lajos Gulácsi zu finden, dem Motto getreu :"Künstler sein ist kein Beruf, das ist das Leben."

 

Die künstlerische Laufbahn von Ernő Tóth begann 1979. Seine eigene Formensprache, der er bis heute treu geblieben ist, fand er auf Anhieb, und auch thematisch fand er von Beginn an seine künstlerische Heimat: zum einen in der Welt des Theaters und zum anderen in der Zirkuswelt.

 

 

 

 

Maßgebend dafür wurden Einflüsse aus seiner Kindheit - er wohnte an

einem Platz, wo ganzjährig Zirkusleute ihr Programm darboten und wo er in manchen geschwänzten Schulstunden Artisten, Clowns und Trapezkünstler bei den Proben beobachtete. Nicht zufällig kam später die Vorliebe für Fellinis Filme hinzu.

Die vier Jahre an der Oper in Budapest haben seine Liebe zum Theater, zum Theatralischen gefestigt, und schließlich wurde durch seine Ehe mit der Schauspielerin Zsuzsa Holl die Verbindung zu der Welt des Theaters besiegelt.

 

Ernő Tóth ist in seinen Werken der Tradition der Commedia dell` arte verpflichtet: der Stehgreifkomödie, die den Berufsschauspielern keinen feststehenden Text vorgibt, sondern nur Typen und stereotype Handlungsabläufe kennt sowie Verwicklungen, die spontan auf der Bühne variiert und sprachlich ausgestaltet werden.

 

Eine besondere Vorliebe hegt er für grotesk wirkende Figuren: Voluminöse Damen mit hochgetürmten Rokokolocken, Geige spielende Ziegenböcke, Clowns, ein abstrus-verrückt-erscheinendes Personal. Auf expressiv aufgetragenen Farbflächen tummelt sich eine Vielzahl dieser wie hingekritzelt wirkenden Gestalten. Was auf den ersten Blick so heiter erscheint, bietet jedoch bei genauerem Hinsehen Nachdenklichkeit und Abgrund. Themen wie Don Quichotte oder die Clowns ist ja sowieso eine gewisse Tragik und Ambivalenz eigen.

 

Ernő Tóth ist zwar in erster Linie Maler, aber einiges lasse sich, wie er offenkundig zugibt, im dreidimensionalen Raum besser gestalten. Deshalb fertigt er seit den 90- er Jahren auch Bronzen, die überwiegend in verlorenen Formen gegossen werden, daher meist Unikate sind.

 

Die meisten dargestellten Szenen beruhen auf genauer Beobachtung menschlicher Eigenarten und Schwächen und sind alles andere als oberflächlich. Oft handelt es sich auch um thematische Auszüge aus seinen Gemälden.

 

Ernő Tóth behält stets eine liebevoll-ironische Distanz zu dem vielfältigen Geschehen, das er in seinen Arbeiten einfängt. Immer wieder gelingt ihm in seinen Werken der Spagat zwischen leichter Heiterkeit und nachdenklich stimmender Ernsthaftigkeit. Er ist ein selbstironischer Geschichtenerzähler, der durchaus in der Lage ist, sich an die eigene Nase zu fassen.

 

Eine einfache Formel genügt ihm für seine Kunst: Humor plus Lyrik

gleich Groteske.

 

Humorvoll sind seine Nasenwesen und die Tiere mit menschlichen Eigenschaften, lyrisch ist die feine Zeichnung, die entfernt an Chagall oder Kokoschka denken lässt, grotesk ist die Gesamtszenerie aus Bildern und Skulpturen, die sich jeglicher Logik entzieht.

 

Dennoch erzählen die Werke Geschichten, und ich möchte Sie, meine Damen und Herren, herzlich einladen, in seine Welt, in seine Manege einzutauchen.

 

Und noch ein letzter Satz: In dem kleinen Raum am Ende des Flurs können Sie sich drei         Arbeiten von Kristóf Tóth anschauen. Er ist Ernős Sohn, der an der Kunstakademie in einigen Monaten seinen Abschluss macht.